Die Wirtschaftskrise: Ursache und Auswirkungen

Vortrag des Präsidenten der OeNB, Dr. Claus J. Raidl

Im Rahmen der Frühjahrstagung 2012 des Ennstaler Kreises hatten die Teilnehmer das Privileg, das brandaktuelle Thema der Wirtschaftskrise, in deren Griff sich momentan Europa befindet, von einem Experten auf diesem Gebiet erläutert zu bekommen.
Der sehr gut strukturierte Vortrag von Dr. Raidl bestand aus drei Teilen, nämlich Ursachen, Auswirkungen und „Heilrezepte“ hinsichtlich der Wirtschaftskrise.

Als Hauptursache für die derzeitige Situation in Europa nannte Dr. Raidl das Phänomen der Deregulierung der Finanzmärkte im Glauben, dass der Markt alles selbst regeln könne. Dr. Raidl nannte als Vorreiter dieser Entwicklung unter anderem die Politiken von Greenspan, aus denen sich in der Praxis die Zusammenführung von Investment- und Commerzbanken, die drastisch zahlenmäßige Zunahme von Finanzintermediären wie Hedgefonds, Venture Capital oder Private Equity, die letztgenannten mit einem Wirkungsbereich jenseits jeglicher Aufsicht oder Kontrolle durch den Finanzmarkt.

Auf eine sehr verständliche Art und Weise erläuterte daraufhin Dr. Raidl wie es zur „Atomisierung des mortgage-Risikos“ gekommen ist, wobei er stets die Gier und die „Jagd nach Renditen“ als Hauptmotivator und Beschleuniger dieser Entwicklungen nannte. Der Ausgangspunkt war laut Dr. Raidl die Politik von Clinton, wonach jeder Amerikaner sein eigenes Haus haben sollte. Diese durchaus nachvollziehbare Politik wurde aber Opfer eines Fehlers in einer nationalökonomischen Überlegung, nämlich dass der Preis von Grund und Boden in den Vereinigten Staaten nicht fallen könnte.

Immer wieder gewährte Dr. Raidl auch mittels Zitaten, beispielsweise eines ehemaligen Managers von Goldman Sachs, dem Publikum auch konkrete Einblicke in diese Phase der Entstehung der „bubble“ sowie in die darauf folgende Phase des Überschwappens auf den Weltmarkt insbesondere aufgrund der intensiven Verflechtung der Finanzinstitutionen der Welt. Durchaus kritisch stellte Dr. Raidl fest, dass heutzutage die Wirtschaftswissenschaften noch keine Antwort auf das Phänomen der ständig wiederkehrenden Wirtschaftskrisen gefunden hätten sowie dass die Theorie des „homo oeconomicus“ offensichtlich mangelhaft sei.

Beim Punkt Auswirkungen der Krise ging Dr. Raidl insbesondere auch auf die Art und Weise ein, wie Österreich mit der herausfordernden Situation umgegangen ist. Hier stellte er fest, dass durch die subprime-Krise in den Vereinigten Staaten Maßnahmen ergriffen werden mussten, die unter anderem auch dazu geführt haben, dass auf europäischer Ebene eine Staatsschuldenkrise entstanden ist. Besonderen Wert legte Dr. Raidl darauf heraus zu zeichnen, dass die Bewältigung dieser Krise eine Strukturreform benötige, da ohne eine solche die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Staaten nicht gewährleistet werden könne. Ohne Stabilisierung trifft den Staat das Risiko, Teile seiner eigenen Souveränität einzubüßen.

Hinsichtlich der Heilrezepte gegen die Krise betonte Dr. Raidl, dass der Euro an sich für Österreich einen riesigen Erfolg dargestellt hat, und dass die aktuelle Krise eben keine Krise des Euros sondern der Staatsschulden ist. Dr. Raidl erklärte aber auch, dass der Euro von Anfang an einen Fehler hatte, nämlich, dass es nach der Währungsunion zu keiner politischen Union d.h. zu keinem europäischen Finanzminister oder Wirtschaftsminister mit umfassenden Kompetenzen gekommen ist. Eine derartige Übertragung von Kompetenzen wird unbedingt notwendig sein, um derartigen Krisen effektiv begegnen zu können. Auch das Thema Verteilungsgerechtigkeit schnitt Dr. Raidl an.
Nachdem Dr. Raidl dann noch die verschiedenen politischen Lösungsansätze skizziert und dem Publikum diese sehr klar gemacht hatte beendete er seinen Vortrag unter tosendem Applaus. Daraufhin kam es noch zu einer Diskussionsrunde, bei der die rege Teilnahme des Publikums und die zahlreichen Fragen eindeutig bestätigten, dass der Vortrag vom Publikum als sehr positiv und interessant gewertet wurde.